Wie läuft das eigentlich so wenn man unterwegs ist? Gibt es über eine Art Alltag wenn man doch jeden Tag an einem anderen Ort ist?

Herbergspilger oder Hotelpilger

Der Tagesablauf von Pilgern, die in Herbergen schlafen und von denen, die in Hotels und Pensionen schlafen, unterscheidet sich vorwiegend in der Flexibilität.

Ein Tag im Leben eines Herbergsschläfers: Guten Morgen!

Je nachdem wie fest der eigene Schlaf und wie rücksichtsvoll die Mitpilger sind, wird man irgendwann zwischen vier und sieben Uhr morgens geweckt. 

Dann heisst es: einen guten Zeitslot finden um in den Gemeinschaftsbädern zu tun, was morgens so ansteht. Und natürlich zusammenpacken: Schlafsack wieder in seine Hülle zwingen, Kleidung verstauen, Ladegeräte zusammen suchen…

Wenn man seine Wäsche noch auf der Leine hängen hat (je nach Jahreszeit eine blöde Idee weil der Morgentau alles wieder nass machen kann), diese noch einsammeln. 

Für Morgenmuffel vor dem ersten Kaffee eine ganz schöne Herausforderung, allerdings kommt man schnell in seine Routinen und auch wenn natürlich bei jeder Herberge alles ein bisschen anders ist, sind die grundsätzlichen Abläufe doch gleich und irgendwann klappt das mit dem packen auch im Halbschlaf. 

Je nachdem zu welcher Uhrzeit man abmarschbereit ist und wo man untergekommen ist, steht dann Frühstück an. Das ist in den Herbergen oft sehr spartanisch, manche private Herbergsmutti oder Hostelbetreiber übertrifft sich aber auch voller Leidenschaft jeden Morgen selbst und zaubert mit viel Liebe jeden Morgen ein Frühstück für seine Schäfchen. 

Wer um fünf schon mit Stirnlampe Richtung Wald tigert, wird mit seinem Frühstück allerdings noch etwas warten müssen. Andere verzichten freiwillig weil sie erst mal ein paar Kilometer laufen wollen und sich dann in einer Bar einen Kaffee und ein Sandwich gönnen möchten. Was aber alle gemein haben: die Wasserflaschen sind frisch aufgefüllt und immer griffbereit.

Ausschlafen ist aber nicht, denn gegen acht Uhr wird man aus der Herberge gekehrt. Manche Herbergen setzen die Pilger erst um halb neun vor die Tür, aber das ist eher die Ausnahme.

Für Langschläfer sind Herbergen also nicht die beste Wahl. Da ist ein Bett in einem Hostel komfortabler – auch dort wird man durch die Mehrbettzimmer früh von seinen Kollegen geweckt, aber kann sich nochmal umdrehen und weiterdösen bis die anderen weg sind und das Bad frei ist.

Dann verpasst man allerdings auch die beeindruckenden Sonnenaufgänge…

Frühaufsteher

Ein Tag im Leben eines Hotelpilgers: guten Morgen!

Wer in privaten Zimmern nächtigt, egal ob Hotel, Pension oder Zimmer im Hostel, hat üblicherweise einen deutlich ruhigeren Start in den Tag und kann, wenn man das denn möchte, auch mal bis halb zehn schlafen.

 Oft sind in den Unterkünften die Wände dünn und die Türen schief, so dass man auch hier von aufbrechenden Pilgern geweckt werden kann, aber da sich diese nicht unmittelbar vor der eigenen Nase befinden, lässt es sich deutlich besser ignorieren.

Wer zudem auch noch den Luxus eines privaten Badezimmers geniesst, der ist läuft auch nicht in Gefahr morgens in Notlage zu kommen wenn die Blase dringend geleert, die Bäder aber alle besetzt sind.

Da auch die Zimmer meist erst gegen zehn oder später verlassen werden müssen, steht es dem Hotelpilger üblicherweise sehr frei wie er seinen Morgen zeitlich gestalten will. 

Dadurch hat man auch beispielsweise die Möglichkeit morgens nochmal unter die Dusche zu springen (mit Gemeinschaftsbädern technisch auch möglich, aber sehr unhöflich den anderen gegenüber), dann etwas frühstücken zu gehen und anschliessend erst in Ruhe seine Sachen zu packen.

Die gewaschenen Klamotten finden sich häufig auf Stehlampen und über Stuhllehnen quer im Zimmer verteilt weil es in Hotels häufig keine Wäscheleinen gibt. Das macht es etwas unordentlicher, dafür ist aber die Chance etwas zu vergessen doch deutlich geringer.

Als Hotelpilger hat man allerdings den Nachteil dass das Frühstück oft erst spät beginnt. Selten startet ein Frühstück um sieben, meist erst gegen halb acht oder acht. Wenn man also zu den Frühaufstehern gehört, muss man auf das Hotelfrühstück oft verzichten.

Auf dem Jakobsweg

Hier unterscheiden sich Herbergsschläfer und Hotelschläfer nicht sonderlich voneinander.

Man läuft los, die meisten morgens eher etwas langsamer, manche haben aber gerade dann am meisten Energie und schaffen in der morgendlichen Kühle besonders viele Tageskilometer.

Es geht durch Wälder, über kleine Dörfer, auf Landstrassen, über Feldwege, durch langsam erwachende Städte oder am Meer entlang.

Je nach Uhrzeit hat man mehr oder weniger andere Pilger um sich herum und je nach Abschnitt mehr oder weniger Möglichkeiten sich niederzulassen und sich einen Kaffee servieren zu lassen. 

Ob man beim laufen Lust hat sich mit anderen Pilgern zu unterhalten oder ob man sich während des Wegs in sich selbst zurück zieht, bleibt ganz einem selbst überlassen. Die meisten Pilger bevorzugen es, zumindest die meiste Strecke alleine zu bleiben. 

Und so verbringt man seinen Tag damit zu laufen. Einfach einen Schritt nach dem anderen, üblicherweise zwischen 15 und 35km am Tag. 

Zwischendurch macht man Pause, die meisten bevorzugen Bars, wo es günstig Kaffee, Getränke und Snacks gibt, andere setzen sich lieber mit mitgebrachtem Essen auf eine Steinmauer mit Bergblick.

Der Körper tut meist nur morgens weh. Man muss gar nicht mal so lange laufen bis man weder schmerzende Füsse noch Muskelkater spürt. Nach einer längeren (Mittags-)Pause ächzt man dann doch noch mal, aber hier geht es noch schneller als morgens bis man es kaum noch wahrnimmt. 

An manchen Tagen macht das laufen mit dem ersten Schritt schon Spaß, die Laune ist bombig, die Aussicht grandios, die Luft angenehm und man möchte den Moment am liebsten eintuppern. An anderen Tagen fragt man sich was zur Hölle man sich da gerade freiwillig antut.

Manchmal läuft man durch Landschaften, die so unfassbar schön sind, dass man aus dem fotografieren nicht mehr herauskommt, manchmal stapft man im Regen durch ein Industriegebiet. Meistens durch irgendwas dazwischen, aber mit klarer Tendenz zu schön – Feldwege, Waldwege, Dörfchen.

Aber irgendwie kommt man doch fast immer erschöpft, aber glücklich an seinem Ziel an. 

Herbergsschläfer: willkommen am Tagesziel

In öffentlichen Herbergen (und vielen privaten) gilt: first come, first serve. Reservieren kann man nicht, nur schauen dass man rechtzeitig da ist.

Geöffnet wird meist um die 14 Uhr und wer zu spät eintrifft, dem kann es passieren dass er keinen Schlafplatz mehr abbekommt.

Hat man sein Tagesziel (ob man das vorher festgelegt hat oder spontan entschieden ist Typfrage) erreicht und ein Bett ergattert, kommt der Punkt an dem es zwei Typen gibt: der eine Typ Pilger schmeisst den Rucksack neben das Bett (auf das Bett werfen ist verboten, damit keine Bettwanzen eingeschleppt werden) und geht erstmal ein Bier oder ein Glas Wein trinken. Alles andere kann warten, erstmal sich selbst belohnen!

Das macht sehr viel Spaß so, aber man läuft bei dieser Vorgehensweise in Gefahr andere Pilger zu treffen und kleben zu bleiben. Dann ist es grad so gesellig, der Weisswein in der Sonne so lecker und man weiss dass man noch zu tun hat, aber was soll man machen wenn es grade so nett ist?

Der andere Typ Pilger will erst alles erledigt haben, was noch auf dem Pilgerpflichtprogramm steht, bevor er sich selbst in den Feierabend entlässt.

Das bedeutet: raus aus den Schuhen (diese müssen oft schon vorher ausgezogen werden und dürfen nicht mit in den Schlafsaal, was aus olfaktorischen Gründen eine gute Idee ist), raus aus den verschwitzten Sachen und darauf hoffen dass eine Dusche frei ist.

Dann natürlich: Wäsche waschen. Entweder es gibt vor Ort eine Waschmaschine oder man muss selbst ran. Wäsche aufhängen natürlich auch noch. 

Wenn man selbst sauber und frisch bekleidet ist, gilt es meist noch die körperlichen Wehwehchen wie Blasen zu versorgen und dann zieht man meist auch schon los um Vorräte aufzufüllen.

Wasserflaschen kaufen, wenn man keine Nachfüllflasche nutzt, ggf Zutaten zum kochen einzukaufen wenn man sich selbst verpflegen will, bisschen frisches Obst oder ne Tüte Gummibärchen, wonach einem grade so der Sinn steht.

Wenn dann alles erledigt ist, steht auch hier die Versorgung des Belohnungszentrums auf dem Programm.

Man läuft zum zentralen Punkt des Ortes, häufig eine Bar in der Nähe der größten Herberge oder auch dem Hauptplatz des Städtchens und geniesst ein kühles Getränk, meist zusammen mit anderen Pilgern.

Oder wer nicht so Lust auf Gesellschaft hat, der schnappt sich sein Tagebuch, wenn er eins führt und sucht sich ein schönes Plätzchen am Wasser, sofern vorhanden.

Man schaut irgendwann noch in den Pilgerführer was sich für den nächsten Tag so anbietet und wo man unterkommen möchte. 

Irgendwann kommt der Hunger und hier kann es für Herbergsschläfer durchaus zu Stress kommen. 

In vielen Herbergen gibt es die Möglichkeit selbst zu kochen

Wer das aber nicht möchte, kann etwas Zeitdruck bekommen, denn in  Portugal und Spanien öffnen Restaurants ihre Küchen teilweise sehr spät. 20:30 Uhr ist durchaus üblich, aber auch 21 Uhr kann vorkommen.

Herbergen schliessen aber abends, meist gegen 22 Uhr. Wer dann noch nicht zurück ist, weil er sich die Uhrzeit nicht gemerkt hat, das Essen zu lange gebraucht hat oder er aber die Länge des Heimwegs verkalkuliert hat, der steht vor verschlossenen Türen und wird in den meisten Fällen auch nicht mehr reingelassen. 

Aber wie immer beim Pilgern: man findet einen Weg, es ergibt sich irgendwas. Dass man wirklich hungrig ins Bett muss, kommt nahezu nie vor. Dass man auf der Strasse übernachtet auch nicht.

Wer es rechtzeitig in die Herberge geschafft hat, für den gilt es nun in den Schlafsaal zu schleichen, denn viele Pilger gehen sehr früh ins Bett, möglichst leise die Badsachen raussuchen und die Kleidung wechseln, Zähne putzen, Ohrstöpsel rein und Schlafbrille auf und glücklich erschöpft einschlummern.

(In Hostels hat man häufig die Möglichkeit auch spät noch heimzukehren, was aber wiederum den Nachteil hat dass das gesamte Mehrbettzimmer immer wieder geweckt wird wenn die Menschen zu unterschiedlichen Zeiten und gerne ordentlich angeschickert eintrudeln.)

Hotelgrino: willkommen am Tagesziel

Wer sein privates Zimmer vorab schon reserviert hat, kann üblicherweise erscheinen wann er will.

Wer sich vor Ort erst nach einem Bett umschaut, dem steht aber auch erstmal die Zimmersuche bevor. „¿Tienes una habitación privada?“ sollte einfach auswendig gelernt werden, wenn man durch Spanien läuft und nicht vorher reserviert hat.

Wenn man nicht nur ein privates Zimmer, sondern auch ein privates Bad hat, gibt es keine Notwendigkeit sich sofort um die Dusche zu kümmern, ich kann aber aus Erfahrung sagen: egal wie verlockend das ist, sich erstmal „kurz“ aufs Bett zu setzen, es ist eine dumme Idee. Man kommt nicht mehr hoch. 

Handwäsche beim pilgern

Hotelgrinos, wie man Hotelpilger auch nennt, haben häufig keine Waschmaschine zur Verfügung. In besseren Hotels gibt es natürlich Wäscheservice, aber da man als Pilger meist in sehr einfachen Unterkünften ist, bleibt hier häufig nur die Handwäsche im Hotelwaschbecken.

Auch hier gilt es anschliessend – wenn nötig – die Vorräte wieder aufzufüllen, wobei man das natürlich auch am nächsten Morgen machen kann, aber es scheint sich bei fast allen Pilgern etabliert zu haben, dass man nach Ankunft Ausschau nach einem kleinen Laden hält. Oft genug gibt es auch gar keinen, aber das ist nicht weiter schlimm, denn die Bars versorgen einen gut und günstig.

Spätestens wenn das Pflichtprogramm erledigt ist, zieht es auch den Hotelpilger in die nächste Bar, die Möglichkeit zu kochen hat er nämlich meistens nicht, höchstens mal wenn es sich um ein Privatzimmer im Hostel handelt.

Im Restaurant kann er sich aber im Gegensatz zu vielen Kollegen Zeit lassen, denn er hat Schlüssel oder Zugangscode für die Tür.

Abendessen

Klingt anstrengend und unkomfortabel?

Es ist anstrengend und unkomfortabel. Aber das macht nichts, denn es gehört irgendwie zum Abenteuer dazu. 

Auch als Pilger, der in Hotelzimmern schläft, lebt man weit unter dem Komfortlevel seines Alltags. Ok, wenn man seinen Rucksack nicht selbst trägt sondern einen Koffer von Hotel zu Hotel transportieren lässt, dann ist es irgendwann nicht mehr so weit weg vom normalen Urlaub.

Aber die meisten Pilger wählen bewusst ein Pilgerabenteuer, bei dem sie all ihre Sachen auf dem Rücken tragen, wochenlang mit nur 2 T-Shirts auskommen müssen, jeden Tag ihre Kleidung von Hand waschen und günstig in Mehrbettzimmern oder eben in sehr einfachen Privatzimmern nächtigen.

Man stellt nämlich sehr schnell fest dass das gar nicht so schlimm ist wie man dachte. Dass man gar nicht so viel braucht um eine gute Zeit zu haben.

 Man merkt, dass es so viel wichtiger ist tolle Menschen aus der ganzen Welt kennen zu lernen und so viel Zeit in der Natur zu verbringen, so viel Zeit für sich selbst und zum nachdenken zu haben, so viele Impulse und Inspirationen zu bekommen. 

Nicht selten steht man nach der Rückkehr vor seinem Kleiderschrank und ist ein wenig schockiert davon dass man sehr viel mehr Kleidung besitzt als man eigentlich braucht. Dass man sowieso sehr viel besitzt, von dem man dachte dass man es braucht um glücklich zu sein. Aber der Jakobsweg hat gezeigt dass man all das nicht braucht, dass man selten so glücklich war, wie als man mit seinem Rucksack auf dem Rücken zwischen anderen Menschen über endlose Wege gestapft ist.