Als ich meine Flüge gebucht habe, war Portugal das Vorzeigeland Europas, ich war gerade 2 Tage vor Ort, da wurde es von Deutschland zum Virusmutationsgebiet erklärt und schlussendlich bin ich ungeplant die letzten 320km des Camino Francese gelaufen.
Pilgern während Corona ist auch in Portugal und Spanien möglich – man sollte allerdings eine gewisse Flexibilität mitbringen 🙂
Eigentlich....
Sobald ich den Zettel mit dem Termin für meine Zweitimpfung in der Hand hielt war klar: das allererste, was ich mit meiner neuen Freiheit machen werde ist pilgern!
Portugal hatte es corontechnisch im Januar richtig hart erwischt, im Juni hingegen hatten sie eine der niedrigsten Inzidenzen Europas.
Also buchte ich einen Flug für exakt zwei Wochen nach dem zweiten Impftermin und freute mich auf entspannten laufen auf meinen geliebten Holzplanken an der portugiesischen Küste zwischen Porto und Viana.
Anschliessend sollte es noch nach Lissabon gehen um dort drei Etappen nachzuholen, bei denen ich bei einem ersten Besuch dort anders gelaufen war, als der offizielle Weg es vorsieht.
Und danach noch an der spanischen Küsten die Variante Espiriturial des portugiesischen Küstenwegs ausprobieren.
Soweit der Plan.
Portugal
Zunächst hatte ich zwei Tage in Porto eingeplant, schliesslich liebe ich diese Stadt und wir hatten uns ja auch schon länger nicht mehr gesehen.
Es hat mich wahnsinnig glücklich gemacht dort zu sein und ich traf direkt ein paar andere, deutsche Pilger (die erkennt man an dem gelben Outdoor-Führer).
Schon am ersten Tag kam die Meldung: Lissabon geht erneut in den Lockdown. Es darf auch keiner mehr einreisen, der noch nicht gebucht hat und somit war klar dass meine ursprünglichen Pläne so schonmal nicht umsetzbar waren.
Virusmutationsgebiet Portugal
Nach 48 Std vor Ort ging dann durch die Nachrichten: Portugal wird zum Virusmutationsgebiet erklärt. Das bedeutete entweder sofort abbrechen und zurück fliegen bevor die Regel greift oder aber einem drohen bei Ankunft in Deutschland volle 14 Tage Quarantäne, die man nicht durch „freitesten“ abkürzen kann und die ebenso für geimpfte gilt.
In den Facebook- und Whattsapp-Gruppen verbreitete sich Unruhe – und jetzt? Rückflug auf Santiago umbuchen? Sofort das Land nach Hause oder nach Spanien verlassen? Bleibt die Grenze zu Spanien auf? Kann auch Spanien eine Quarantäne verhängen?
Ich beschloss für mich wenigstens noch zwei Tage in Portugal am Meer zu laufen, da hatte ich mich so drauf gefreut, aber dann auch selbst zu schauen dass ich schnell nach Spanien rüber komme. Das hätte mich zwar nicht vor einer Quarantäne in Deutschland gerettet, denn da geht es darum dass man vorher ein einem Mutationsgebiet war, aber immerhin wäre der Grenzübergang dann sicher erledigt.
Einreise nach Spanien
Da stand ich dann in Vigo, einer Stadt auf dem portugiesischen Küstenweg, die als halbwegs zufälliges Ziel diente weil dort gerade ein günstiger Bus hinfuhr und überlegte wie es weitergehen sollte. Wenn ich jetzt einfach nur die Variante Espiriturial laufen würde, wäre ich in 4 Tagen in Santiago und könnte nicht heim fliegen ohne in Quarantäne zu müssen.
Niemand hat beim Grenzübertritt oder beim Fahrkartenkauf irgendwas kontrolliert.
Ich musste zwar ein Einreiseformular für Galizien digital ausfüllen, aber dort wurde auch nur gefragt ob ich geimpft sei, einen Nachweis brauchte ich nicht.
Die Planänderung
Und dachte mir dann: so leer wie der Camino Portugues gerade ist – da dürfte es auf dem Camino Francese (den viele, spätestens seit Hape Kerkeling, als „den“ Jakobsweg kennen) ausnahmsweise mal nicht so überfüllt sein.
Eine Schnellrecherche ergab dass derzeit etwa halb so viele Pilger in Santiago einlaufen wie sonst und ich dachte mir: so leer wird es nie wieder werden und buchte mir einen Zug nach Leon.
Der Camino Francese startet eigentlich in Saint-Jean-Pied-de-Port, allerdings sind die ersten 500km meistens nicht so voll, viele steigen erst später ein, in Pamplona, Burgos oder eben Leon (etwa 320km vor Ziel). Die ersten 500km könnte ich also auch später noch nachholen.
Spanien - Camino Francese
Die Reise nach Leon über Vigo verlief problemlos, sowohl die Portugiesen als auch die Spanier nahmen die Maskenpflicht sehr ernst und bemühten sich auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln um Abstand. Allerdings durften Züge voll besetzt werden, so dass ich mich auch mit FFP2-Maske und Impfschutz nicht 100% sicher fühlte, denn da geisterte bereits die Meldung durch die Presse der Biontech-Impfschutz gegen Delta könnte geringer sein als ursprünglich gedacht.
Glücklicherweise hatte ich den Camino Francese ab Leon schon mal geplant, so dass ich einen groben Überblick über die Etappen hatte.
Ein entzündeter Mückenstich am Knöchel liess mich dann noch das spanische Gesundheitssystem persönlich testen (ich wurde um 20:30 Uhr noch in einem Gesundheitszentrum ohne größere Wartezeiten versorgt) und sorgte für eine Zwangspause, aber so konnte ich mir immerhin Leon in Ruhe anschauen, denn diese Stadt ist wirklich sehr sehenswert.
Die Pause gab mir aber auch die Gelegenheit mir die Etappen genauer anzuschauen und einen amerikanischen Reiseführer dazu zu studieren – einen deutschsprachigen habe ich nämlich nicht als E-Book gefunden.
Und dann ging es endlich los, 320km mit nahezu perfektem Wetter und größtenteils traumhafter Landschaft.
Welche Coronabedingten Einschränkungen gab es?
Insgesamt muss ich sagen: überraschend wenige.
Unterkünfte
Es waren einige Pilgerherbergen geschlossen, gefühlt etwa 10-20%, je nach Gegend. Zudem belegten die Herbergen nur jedes zweite Bett, was natürlich die Plätze reduzierte. Das war allerdings nur auf den letzten 100km ein Problem, davor war es so leer (eine Pensionsbesitzerin in Rabanal del Camino sagte mir es wären auf diesem Abschnitt etwa 10% der normalen Pilgermenge unterwegs).
Für „Hotelgrinos“ war das natürlich kein Problem. Auch hier hatten einige Hotels geschlossen weil sich der Betrieb für sie einfach nicht lohnte, aber es gab dennoch nie Probleme ein günstiges Zimmer zu bekommen.
Lediglich mitgebuchtes Frühstück musste vorab terminiert werden, was ein wenig die Spontanität gestört hat.
Schutzmaßnahmen vor Ort
Spanien hatte die Maskenpflicht im Freien bereits aufgehoben, dennoch war es üblich Maske zu tragen, sobald man eine Stadt, aber auch ein Kuhdorf betrat. Auch wenn es nicht verpflichtend war, hat man auch als Pilger beim durchqueren eines Dorfs die Maske aufgesetzt, einfach aus Respekt vor den dort lebenden Menschen.
Maskenpflicht in Geschäften, Restaurants und öffentlichen Verkehrsmitteln gab es ebenso wie hier
Ich hatte den Eindruck dass sowohl Portugiesen als auch Spanier das Masketragen sehr ernst nehmen, ernster als ich es von hier kenne.
Darüber hinaus habe ich in sehr vielen Bars und Restaurants c02-Melder gesehen und Taxen sowie mit mehreren Personen besetzte Autos fuhren üblicherweise mit offenem Fenster. Die Übertragung per Luft schien dort deutlich bekannter zu sein als hier, wo ich auch nach so langer Zeit noch fast jedem Taxifahrer erklären muss, warum ich gerne das Fenster aufmachen würde.
In manchen Geschäften oder Supermärkten wurde man gezwungen sich die Hände zu desinfizieren, sonst durfte man nicht rein. Aber das war auch eher die Ausnahme.
Bürokratie
Bevor ich nach Portugal geflogen bin, musste ich erstmal zum Schnelltest und das trotz doppelter Impfung. Immerhin waren aber Schnelltests möglich, kurz zuvor war noch ein teurer PCR-Test vorgeschrieben. Inzwischen brauchen Geimpfte auch keinen Schnelltest mehr, wenn sie ein digitales Impfzertifikat haben.
Zudem musste eine „Passenger Locator Card“ online ausgefüllt werden.
Bei der Einreise von Portugal nach Spanien gab es dann die digitale Einreiseanmeldung für Galicien – als ich von Galicien dann nach Kastilien-Leon gefahren bin, musste ich nichts neues ausfüllen (hoffe ich zumindest).
Die Rückreise nach Deutschland benötigte durch den Status Spaniens als Risikogebiet ebenfalls eine digitale Einreiseanmeldung. Diese wurde auch am Flughafen von den Mitarbeitern der Fluggesellschaft kontrolliert – ebenso ob man seinen Impf- oder Genesenennachweis dabei hat oder alternativ einen negativen Test.
Den hatte eine Mitreisende leider nicht und so durfte sie nicht einsteigen, sondern musste den Flughafen wieder verlassen. Man kann in Santiago Coronatests machen, allerdings stehen die nicht wie hier gerade an jeder Ecke kostenlos herum.
Über die bürokratischen Maßnahmen informiert einen niemand proaktiv, da muss man sich leider vollständig selbst drum kümmern und sie können sich täglich ändern. Das gehört zum Reisen in Coronazeiten leider dazu.
Und wie war pilgern zu Coronazeiten nun?
Pilgern ist immer toll. Und gerade nach dieser langen Zeit der Monotonie war es fantastisch das Gehirn wieder mit Eindrücken und neuen Menschen zu füttern.
Manchmal hatte ich das Gefühl vergessen zu haben, wie man eigentlich mit fremden Menschen redet, man hat ja 16 Monate keine mehr kennen gelernt…
Nachts habe ich geschlafen wie ein Stein, mein Schlafbedarf war dieses Mal viel höher als auf bisherigen Pilgerurlauben, was sicherlich auch mit der Reizüberflutung zu tun hatte.
Die coronabedingten Einschränkungen fand ich überhaupt nicht schlimm, die waren wirklich minimal. Lediglich beim durchqueren größerer Städte bei hohen Temperaturen war die Maske dann doch unangenehm, aber das kam nur ein oder zwei Mal vor.
Womit ich allerdings gar nicht gerechnet hatte, war dass es mir auf dem Camino Francese tatsächlich ZU LEER war.
Gefühlte 70% der eh schon wenigen Pilger waren Spanier, die in organisierten Gruppen mit Tagesrucksäcken ihr eigenes Ding machten und abends vom Bus ins Hotel gefahren wurden.
Individualpilger aus der ganzen Welt gab es dann doch überraschend wenige. Das sorgte an manchen Abenden dafür dass ich durch eine Kleinstadt lief und keinen einzigen als Pilger erkennbaren Menschen traf.
Dennoch bin ich sehr froh genau jetzt die letzten 320km des französischen Jakobswegs gelaufen zu sein. Ich habe die Landschaften wirklich geniessen können und oft stundenlang niemanden getroffen. In den meisten Orten habe ich abends dann doch noch Anschluss gefunden und ich kann mir gerade gar nicht wirklich vorstellen wie es dort sein mag, wenn 100% der üblichen Pilgermenge unterwegs ist.
Ich hatte jedenfalls eine fantastische Zeit und freue mich jetzt schon auf die fehlenden ersten 500km, die ich hoffentlich dieses Jahr noch laufen kann.